Abbildung Schlafserie 1

Schlafserie #1 – Warum ist schlaf derartig wichtig?

Zusammenfassung:

  1. Schlaf ist maßgeblich für die Funktion des Glymphatischen Systems und somit für die Reparatur und Regeneration unseres Gehirns. Alle uns bekannten neurodegenerativen Krankheiten werden somit durch einen chronischen Schlafmangel bedingt.
  2. Qualitative Nachtruhe ist unumgänglich für die erfolgreiche Konsolidierung und Verarbeitung von Erinnerungen, Lerninhalten und Emotionen. Außerdem fördert qualitativer Schlaf die Stressresistenz.
  3. Neben psychischer Regeneration hat ausreichend Schlaf auf alle metabolischen und physiologischen Systeme einen direkt positiven Einfluss. Somit ist es essentiell adäquaten Schlaf zu bekommen, um metabolische Missstände zu behandeln und vorzubeugen.

Warum wir überhaupt schlafen lässt sich nicht mit einer uniformen These beantworten. Dennoch kennen wir mittlerweile viele zusammenhängende und äußerst wichtige Prozesse und Mechanismen, aus welchen sich übergreifend ableiten lässt, dass Schlaf der physiologischen und psychologischen Regeneration dient. Dies klingt beim ersten Lesen vielleicht offensichtlich und einleuchtend, doch wie wichtig und tiefgreifend diese Regeneration wirklich ist, beantwortet Ihnen dieser und folgende Artikel der Schlafserie. 

Jedes uns bekannte Tier geht einer bestimmten Form des Schlafes nach. Dies ist evolutionär insoweit interessant, da es einen sehr verwundbaren und nicht immer bewussten Zustand darstellt. Dennoch ist uns kein Tier bekannt, welches nicht schläft. Die Wichtigkeit des Schlafens lässt sich nicht zuletzt aus dieser Gegebenheit ableiten. Wäre das Schlafen für eine Spezies langfristig kein enormer Vorteil, so wäre es unwahrscheinlich, dass die Schlafenszeit bei Tier und Mensch einen derartig hohen Anteil des Tages ausmacht. 

Um die Wichtigkeit dieses Drittels unseres Lebens hervorzuheben und um zu zeigen, warum erholsamer Schlaf wohl der wichtigste Faktor für die körperliche und mentale Gesundheit ist, finden Sie hier die drei übergreifenden Gründe: 

Grund 1

Der erste Grund ist die Reparatur und Regeneration unseres Gehirns. Über den Tag hinweg akkumuliert das Gehirn metabolische Stoffwechselprodukte, welche aus der täglichen neuronalen Aktivität resultieren. Diese werden hauptsächlich durch das Glymphatische System, ein Entsorgungssystem für Stoffwechselendprodukte im Zentralnervensystem, zur Vene hin abtransportiert. Dies ist möglich, da im Schlaf das Volumen des Zellzwischenraums im Gehirn durch eine Schrumpfung der Zellkörper vergrößert wird und somit bis zu 60% mehr Raum für den Flüssigkeitstransport vorhanden ist[1]. Die Flüssigkeit, die zum Abtransport dieser Endprodukte wie zum Beispiel β-Amyloid verantwortlich ist, nennt sich Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit (Liquor cerebrospinalis). Dieser Vorgang ist unter anderem so wichtig, da die verschiedenen β-Amyloid Peptide stark mit neurodegenerativen Krankheiten, wie Alzheimer, Parkinson oder gar amyotrophen Lateralsklerose (ALS) in Verbindung gebracht werden. Schlaf erweist sich somit als äußerst neuroprotektiv. Zudem resultieren viele psychiatrische Erkrankungen, wie zum Beispiel Depressionen, Bipolare Störung oder Schizophrenie aus einem chronischen Schlafmangel.[2] Hinzuzufügen ist, dass ß-Amyloid nicht mit vollständiger Sicherheit als Ursache und erst recht nicht als alleiniger Grund für neurodegenerative Krankheiten gesehen werden darf. Dennoch stellt es ein Resultat dieser Krankheiten dar und verrät uns trotz unvollständig erforschtem Abtransport der Stoffwechselendprodukte, dass Schlaf eine hohe Relevanz in der Reinigung von sich akkumulierenden Proteinen besitzt.[3]

Grund 2

Schlaf ist essentiell für die Konsolidierung von Erinnerungen, Lerninhalten und Emotionen, sowohl im Kurzzeitgedächtnis als auch im Langzeitgedächtnis. Diese Konsolidierung geschieht nicht in passiver Form durch das Verhindern einer Überschreibung alter Gedanken durch neune Stimuli.  Es handelt sich hingegen um eine aktive Konsolidierung, welche durch eine Reaktivierung neu kodierter Erinnerungsrepräsentationen stattfindet.[4]Neben dieser Festigung ist Schlaf außerdem für Wachsamkeit und das Abrufen der gefestigten Inhalte entscheidend. Ausreichend Schlaf, wie auch kurze Mittagsschläfe, vervielfachen nämlich die Lernfähigkeit konkreter Fakten und Ereignisse. Weiterhin lässt er Emotionen einfacher verarbeiten. Letzteres ist maßgeblich für den Aufbau einer höheren Reizschwelle gegenüber stressigen Situationen, welcher nachweislich einen positiven Einfluss auf das Lebensgefühl und die Langlebigkeit haben.

Grund 3

Es ist fast unmöglich alle negativen physiologischen Einflüsse von unzureichendem Schlaf aufzuzeigen, da dieses Drittel unseres Lebens einen derartig fundamentalen und tiefgreifenden Einfluss auf alle erdenkbaren Körpersysteme hat, dass erholsamer Schlaf als Grundlage für die körperliche und mentale Gesundheit angesehen werden muss. Apropos körperliche Gesundheit – neben der Reparatur und Regeneration unseres Gehirns, sowie der Konsolidierung und dem Formen von Gedanken ist Schlaf einer der Hauptfaktoren für die metabolische Gesundheit des Menschen. 

Wenn Sie abnehmen möchten, bewirkt Schlafmangel jegliches Gegenteil von dem was Sie erreichen möchten. Folgende Studie[5] zeigt, dass Schlafmangel für 55% weniger Körperfettverlust bei einem leichten Kaloriendefizit verantwortlich ist, verglichen zu einer Kontrollgruppe, welche ausreichend Schlaf bekam. Gleichzeitig verlor die Schlafmangel-Gruppe 60% mehr fettfreie Körpermasse, weitestgehend Muskelmasse, als die Kontrollgruppe. Zudem stiegen Marker für das Hungergefühl und eigenes Körperfett wurde weniger zur Energieproduktion verwendet. Wie diese Metaanalyse[6] des Zusammenhangs zwischen zu wenig Schlaf und metabolischen Dysfunktionen zeigt, führen Schlafmangel, abnormale Schlafzeiten oder verschobene Schlafzyklen zu einer enormen Insulinresistenz und dem sogenannten metabolischen Syndrom*.


*Metabolisches Syndrom erklärt: 

Diese metabolische Störung bezeichnet das Auftreten drei dieser fünf medizinischen Konditionen: Übergewicht, ein zu hoher Blutdruck, ein zu hoher Blutzucker, eine hohe Anzahl an Triglyceriden im Blutserum (Fettmoleküle, die aus einem Molekül Glycerin und drei Fettsäuren bestehen) und eine niedrige Anzahl an HDL-Lipoproteinen. Die letzten beiden Konditionen sind weitaus individueller zu betrachten und in der modernen Medizin umstrittener als die ersten drei. Dennoch sind sie gute Anhaltspunkte für das metabolische Syndrom und werden stark mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Krankheiten und Diabetes assoziiert. 




[1] Sleep Drives Metabolite Clearance from the Adult Brain. Lulu Xie, et al., Science Magazine, 2013 Oct (http://science.sciencemag.org/content/342/6156/373)

[2] The Neuroprotective Aspects of Sleep. Andy R. Eugene, Jolanta Masiak, MEDtube Science, 2015 Nov (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4651462/)

[3] A Paravascular Pathway Facilitates CSF Flow Through the Brain Parenchyma and the Clearance of Interstitial Solutes, Including Amyloid β. Jeffrey J. Iliff, Sci Transl Med, 2013 Aug (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3551275/)

[4] About Sleep’s Role in Memory. Björn Rasch, Jan Born, Physiological Reviews – American Journal of Physiology, 2013 Apr (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3768102/)

[5]Insufficient sleep undermines dietary efforts to reduce adiposity. Arlet V. Nedeltcheva MD, et al., Annals of Internal Medicine, 2011 Apr (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2951287/)

[6] Sleep duration and metabolic syndrome in adult populations: a meta-analysis of observational studies. S-Y Ju, W-S Choi, Nutrition & Diabetes, 2013 May (https://www.nature.com/articles/nutd20138)


Beitrag veröffentlicht

in

,

von

Schlagwörter: